Unser Alltag als Katzenfamilie, ich meine natürlich als Familie mit Katze, hat begonnen. Es spielt sich ungefähr so ab: Herzilein legt sich abends brav in sein Katzenbettchen, das am Fußende des Bettes unseres Sohnes steht, denn schnell war für Herzilein klar: Dort schläft es sich besonders gut. Es ist zwar nun etwas eng, aber keinen der beiden stört es. Ehrlich gesagt war diese Entwicklung auch kaum verwunderlich, denn unser Sohn besitzt magische Kräfte, Tierkräfte um genau zu sein! Jedes zieht er magisch an. Komme, was und wer da wolle. Unser Sohn nimmt sie alle. Ich bin da ja etwas wählerischer, aber nur ein klein wenig, wenn ihr euch an meine erste Geschichte zurückerinnert. Nun aber zurück zum Tierflüsterer, also unserem Sohn: Inzwischen haben wir uns damit abgefunden, dass wir alle bei den Tieren immer nur die zweite Geige spielen, sobald er den Raum betritt. Natürlich ist das auch mit Herzilein so. Es war nur eine Frage der Zeit. Nachts dagegen sieht die Sache völlig anders aus, denn da bin natürlich ich zuständig: Herzilein schläft also abends brav ein. Ich muss gestehen, dass dies aber nur klappt, wenn er vorher noch einmal fressen durfte. Dann steht der Kater mitten in der Nacht so kurz vor 5 Uhr auf, manchmal auch gerne um 4 Uhr, um sein Katzenklo zu besuchen. Wenn seine Notdurft erledigt ist, schaufelt er mindestens einen Tunnel bis zum anderen Ende des Dorfes (zumindest hört es sich so an, denn ich werde davon wach, interessanterweise der Rest der Familie nicht!) und dann maunzt er wieder durchdringend, laut, jämmerlich und kläglich. Ich geb's zu, da bin ich machtlos. Spätestens an dieser Stelle schwinge ich die Beine aus dem Bett. Sind wir in den ersten Nächten noch alle zu dem armen Tier gerannt, bin inzwischen nur noch ich übrig! Woran das wohl liegen mag? Das ist doch klar: Er findet uns nicht mehr in der Dunkelheit und ruft nach seiner Mutti, damit sie ihn holt und zurück ins Nest, also ich meine, Katzenbettchen bringt. Gerne spielt er auch noch eine Runde oder ist dem erneuten Auffüllen seiner Fressschale nicht abgeneigt. Das zeigt er mir, indem er sich auffordernd daneben setzt und mich steinerweichend anblickt. Natürlich bekommt er von mir alles, was so ein armes Tier braucht. Als wir endlich wieder im Bett liegen, also jeder in seinem, bin ich so munter, dass ich bis zum Weckerklingeln um 5.30 Uhr nicht mehr einschlafen kann. Nachdem ich mich also mehrfach unruhig hin- und hergeworfen habe, gebe ich meinen Gedanken, die sich währenddessen in meinem Kopf abgespielt haben, nach. Ich sah Folgendes: Die fitte, gut gelaunte, perfekt gestylte Mutti mit einem herzlichen Lächeln auf den Lippen richtet das gesunde, wertvolle Frühstück für ihre Lieben, presst frische Orangen aus, zaubert wunderbare Pausensnacks mit lustigen Gesichtern drauf, kocht Kaffee und reinigt wie nebenbei die Küche von den Krümelspuren und verschütteten Tropfen des Orangensafts. Dann weckt sie die Familie mit fröhlichem, glockenreinem Gesang und setzt sich an den Tisch, wo sie auf ihre Kinder und den Mann wartet. Natürlich erscheinen auch diese nach kurzer Zeit gut gelaunt, die Kinder (mit rosigen, glänzenden Bäckchen und ordentlich gekämmtem Haar), die sich begeistert ihre frisch gewaschenen Klamotten vors Gesicht halten, weil sie so gut duften und sie diese anziehen dürfen, der zufriedene Mann mit Krawatte und fertig gepackter Ledertasche, der seiner Superfrau einen zärtlichen Kuss zum Abschied gibt…. Ja-aaa, träumen wird man wohl noch dürfen!! Bei uns sieht das sowieso immer völlig anders aus: Hektisch richten mein Mann und ich das Frühstück her, ich wecke die Kinder, scheuche sie ins Bad, wenn sie nicht rechtzeitig aus den Federn kommen, frühstücke selbst zwischendrin, packe schnell die Brotzeit zusammen, versuche halbherzig das Chaos in der Küche zu beseitigen, während Kinder und Mann schon halb zur Tür draußen sind und versuche mich in eine optisch annehmbare Form zu bringen, um dann schnell in die Arbeit zu kommen. Entspannt ist etwas anderes! Jetzt sehe ich also meine Chance gekommen, denn wie heißt es so schön: Der frühe Vogel fängt den Wurm! Also bleibe ich einfach wach, stehe tatsächlich auf und richte alles liebevoll und völlig relaxt und gelassen her. Bestimmt reicht die Zeit für ein bisschen Frühsport, Yoga oder so. Wenn man sein Leben ändern will, muss man sich schon dafür einsetzen. Herzilein ist hellauf begeistert, dass ich wach bleibe und geschäftig in der Küche hantiere. Das mit dem Orangensaft fällt leider weg, ich habe keine Orangen, Kaffee gibt’s auch nicht, wir trinken in der Früh Tee. Das mit den Gesichtern auf den Pausenbroten könnte ich versuchen, aber wie macht man die eigentlich? Ich habe nur Senf und Meerrettich da. Vielleicht sollte ich jetzt die Zeit für den Frühsport nutzen. Erst suche ich die Yogamatte ewig im Keller und finde sie völlig verstaubt hinter dem Vorratsregal. Ih, wie ist sie denn da hingekommen? Als ich sie notdürftig gereinigt habe, lege ich sie ins Wohnzimmer auf den Boden. Herzilein ist begeistert, legt sich mittendrauf und streckt mir sein Bäuchlein entgegen. Möchte er vielleicht mitmachen? Wie süß! Mutti und Kater machen zusammen Sport. Wenn das keine Verbundenheit ist!! Als ich mich jedoch zu ihm auf die Matte geselle, hält er dies für eine Spielaufforderung. Auch das muss sein und begeistert rollen wir gemeinsam seine Kugel mit klingendem Glöckchen und lustig schwingenden Bändern durchs Wohnzimmer. Wie viel Uhr ist es eigentlich? Du meine Güte, so spät schon? Ich sprinte nach oben, wecke alle der Reihe nach, ohne Gesang, denn den will keiner in der Früh hören, muss mir stattdessen Gemotze über den Stress, die falsche Brotzeit und den nicht gewaschenen Pulli anhören und bin froh, als alle irgendwann einigermaßen rechtzeitig zur Tür raus sind. Also, ich weiß nicht, das war jetzt ganz schön stressig. Dabei bin ich doch schon so bald aufgestanden… Huch, ich muss mich beeilen, damit ich nicht zu spät zur Arbeit komme. Als ich dann im Laufe des Vormittags drohe, vor lauter Müdigkeit vom Stuhl zu fallen, überdenke ich die Morgengestaltung. Den Kollegen ist meine Müdigkeit natürlich nicht verborgen geblieben. Als sie den wahren Hintergrund erfahren, muss ich mir einige Sticheleien und Lachanfälle anhören. Den Tipp, dass mich das Herzilein nach Strich und Faden ausnutzt, lehne ich vehement ab. So ein Quatsch, das arme Tier. Er musste so viel durchmachen, da muss man ihm schon irgendwie entgegenkommen. Ich beschließe jedoch, mir ausnahmsweise, natürlich nur heute, ein kleines Nickerchen nach der Arbeit zu gönnen. Ich kann es kaum erwarten… Zu Hause angekommen, werde ich freudig begrüßt und mit einer stummen Aufforderung zum Futternapf geleitet. Na gut, aber dann muss ich mich unbedingt kurz hinlegen. Kaum berührt mein Körper das Sofa, fallen mir schon die Augen zu. Als ich kurz darauf spüre, wie sich das Katerchen zu mir kuschelt, muss ich lächeln. Der frühe Wurm mag ja schön und gut sein, aber nun erinnere ich mich wieder ganz deutlich: Ich mag keine Würmer!
(© Helen Herrmannsdörfer)
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