Mónica Gutiérrez
„Der fabelhafte Buchladen des Mr. Livingstone“
Thiele Verlag
„Eine junge Frau mit langen nassen Haaren hatte Mantel, Schuhe und Strümpfe an der Tür abgelegt und ging barfuß über den knarrenden Holzboden von Moonlight Books. Edward hatte das Gefühl, als hielte der gesamte Laden erwartungsvoll den Atem an (…).“
Agnes Martí, eine arbeitslose Archäologin aus Barcelona, wird in dem Londoner Stadtteil Temple von einem starken Regenschauer überrascht, der sie schutzsuchend in die versteckt liegende, verwunschene Buchhandlung des Mr. Edward Livingstone spült. Sofort umfängt sie dort eine magische Aura. Der Buchhändler, bärbeißig, verschroben und Anwärter des Scrooge-Preises für den knurrigsten, grantigsten Buchhändler des Jahres, versteht sich besser auf Bücher als auf Menschen. Er ist der Ururenkel von David Livingstone, der vor langer Zeit die Wasserfälle von Sambesi entdeckte und dessen Tagebuch er in einer erleuchteten Vitrine ausstellt. Sorgsam, wie einen Schatz verwahrt, hütet es Edward. Natürlich erkennt Agnes als Archäologin die Bedeutung dieses Büchleins sofort. Für Edward ist klar, dass Agnes von seinem im Schaufenster ausgestellten „Aushilfe gesucht“- Schild auf wundersame Weise in seinen Laden gelockt wurde. Und auch Agnes nutzt diese letzte Chance als Rettungsring, um in London bleiben und vielleicht doch Fuß fassen zu können. Diese fabelhafte Buchhandlung zieht jeden, sowohl den Inhaber als auch die liebenswerten, verschrobenen Stammgäste, die man auch als Livingstones Familie bezeichnen könnte, in ihren Bann und gewährt ihnen Zuflucht. Ausgerechnet als Agnes eines Nachmittags alleine für den Laden zuständig ist, verschwindet das wertvolle Tagebuch. John Lockwood von Scotland Yard soll sich um den Verbleib kümmern und den Diebstahl aufklären. Geheimnisse und Verwicklungen erschweren nicht nur die Arbeit von John, sondern auch Verwirrungen wirbeln so manche Gefühlswelt in der Buchhandlung durcheinander.
Der Spanierin Mónica Gutiérrez gelingt mit ihrem Roman ein wahrhaftes Meisterwerk, das den Leser schon nach kurzer Zeit in seinen Bann zieht und in eine magische Buchhandlung entführt, die man unbedingt selbst betreten möchte. Gekonnt gezeichnete Figuren, die ausdrucksstarke Namen tragen wie der Junge Oliver Twist, der Schriftsteller „Writer in Residence“ oder John Lockwood tragen zu der bildhaften Darstellung bei. Rituale wie das donnerstägliche Teetrinken in der Romantikerecke oder die Übernachtung in der Buchhandlung in einer wolkenlosen mondbeschienenen Nacht, um dann durch das pyramidenförmige Oberlicht das Himmelspanorama zu betrachten, sorgen ebenso dafür, diesen selbst beiwohnen zu wollen. Unzählige Zitate aus bekannten Werken der Weltliteratur und witzige Wortspiele bereiten zusätzlich Freude und lassen den Leser schmunzeln. Das wunderschöne Cover lädt zum Träumen ein und versetzt mit Beginn des ersten Kapitels direkt in das Geschehen. Viel zu schnell neigt sich das Buch nach 301 Seiten dem Ende entgegen.
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