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10) Das Katzen-ABC

Inzwischen würde ich sagen, dass wir (das Herzilein und wir zweibeinigen Hausbewohner) uns schon richtig gut kennen. Es ist, als hätten wir schon immer eine Katze gehabt. Gut, ich gebe es zu, manche Angewohnheiten, die Herzilein an den Tag legt, sind mir fremd. So musste unser Hund früher nie, wirklich nie, überall hochklettern. Für ihn war es okay, dort zu liegen, wo es bequem war, seine Decke oder sein Bettchen lag. Oder natürlich zu unseren Füßen. Naja, manchmal, aber wirklich nur manchmal, legte er sich in unser Bett, aber das war selbstverständlich die absolute Ausnahme. Mit ein paar passenden Worten in unterschiedlicher Betonung „Nein! Na-hein! Nein, nein, nein!“ nahm er wieder seinen Platz als Bettvorleger ein. Aber niemals sprang er auf Kommoden, Schränke, Fensterbretter oder andere höher gelegene Aussichtsplätze. Das ist mir fremd. Herzilein liebt diese Plätze. Ja, ich habe schon gehört, dass das so ein „Katzen – Dings“ ist. Es versteht sich von selbst, dass ich mich darüber gleich einmal genauer informieren musste. Denn gut informiert, ist halb gewonnen. Deshalb regte ich mich daraufhin nicht darüber auf, wenn er auf unsere Kommoden sprang. Da hat er eben den besten Ausblick, völlig verständlich. Mein Ratgeber „Meine Katze und ich“ war in diesem Fall absolut Gold wert. Ich abonnierte diesen gleich einmal, denn ich musste doch die Katzensprache fließend verstehen lernen. Unglaublich, was ich erfuhr und lernte, ihr werdet staunen, wenn ich euch das jetzt gleich erzähle: Zunächst wurde erklärt, dass der Grund, warum Katzen gerne so exponiert liegen, darin bestünde, dass sie gerne den Überblick haben und den Angreifer möglichst frühzeitig entdecken wollen. Das konnte ich total gut nachvollziehen, denn einen Überblick habe ich auch immer gerne. Allerdings reicht mir meine Größe dafür völlig, ich habe nicht vor, demnächst auf die Regalwand im Wohnzimmer zu klettern. Außerdem müsste ich da bestimmt vorher erst einmal superordentlich Staub wischen. Au ja, Gedankenblitz: Ich könnte doch dem Katerchen nach oben verhelfen und ihm anschließend ein Staubtuch unter die Pfoten klemmen. Genial, so würde ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen! Nächster Punkt: Die Sache mit den Angreifern! Das wäre im Haus auch eher fraglich. Ich wüsste nicht, wer Herzilein angreifen wollte. Höchstens die Wollmäuse… Also fiel dies ebenfalls flach, das teilte ich Herzilein auch sofort genauso mit. Nur, damit er die Faktenlage kannte. Es könnte ja durchaus sein, dass er sich nicht hundertprozentig sicher fühlte und diesen Zustand wollte ich dringend geändert haben. Vielleicht legte sich dann auch die Kletterei? Toll, dieser Ratgeber sorgte echt für Klarheit. Ich war begeistert! Ich las mir den nächsten Punkt in der Zeitung durch: Katzen liegen gerne höher, da dies etwas über die Rangstellung aussagt. Wer höher liegt, hat das Sagen und alle anderen müssen gehorchen! Wie bitte? Ich las wohl nicht recht! Das konnte doch nicht wahr sein! Ich beschloss, sofort alle höher gelegenen Flächen zu sperren. Irgendwo musste mein Mann doch noch dieses rot-weiß gestreifte Baustellen-Band haben. Nichts da, das wäre ja noch schöner, gleich wurde großzügig abgesperrt. Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Deshalb diktierte uns Herzilein so gewissenhaft die Aufstehzeiten, den Weg zum Futterplatz und so weiter. Er dachte, dass er das Sagen hätte. Also wirklich, das war doch verantwortungslos, wenn einem das nicht beim Kauf der Katze dazugesagt wurde. Ach so, ja, wir hatten Herzilein gar nicht gekauft, aber trotzdem. Man könnte es den Tieren doch auch ins Ohr tätowieren, nach dem Motto: „Achtung! Ich versuche so hoch wie möglich zu klettern, um die Macht zu haben!“ Zack, schon wäre alles klar und jeder wüsste Bescheid und könnte es so gestalten, wie er möchte. Manche Menschen lassen sich ja auch gerne Vorschriften machen. Ich gehöre definitiv nicht dazu. „Auch nicht von einer so süßen Katze!“ Ups, anscheinend hatte ich diesen Satz laut ausgesprochen, denn schon traf mich der raubtierhafte, fixierende Blick von Herzilein, der auf der Vitrine saß und wild mit dem Schwanz schlug. Puh, irgendwie war dieser Blick unheimlich! Unverwandt hielt er den Blickkontakt mit mir. Es schien, als verstünde er jedes Wort. Wie macht man das mit Kindern in so einer Situation? Genau: herausholen. Also schnappte ich mir Herzilein von der Vitrine und warf sein Lieblingsspielzeug in den Garten. Begeistert sprang er lustig hüpfend hinterher. Erschöpft lehne ich mich an den Türrahmen. Als ich den Blick durch den Garten schweifen ließ, war plötzlich keine Spur mehr von Herzilein zu entdecken. Kurz setzte mein Herz aus. Wo war er denn hin? Er konnte doch nicht einfach verschwinden. Suchend glitt mein Blick weiter. Da! Herzilein war schon wieder geklettert – diesmal auf das große Holzpferd unserer Tochter, das mitten im Garten stand. Er konnte es nicht lassen und saß darauf, direkt hinter dem Pferdekopf. Anmutig ließ er sich den Wind um das süße Näschen wehen und stierte mich trotzdem unverwandt an. Rebellion? Was hatte er vor? Langsam näherte ich mich ihm. Unser Blickkontakt blieb bestehen. Lauernd beobachtete er mich, während ich einen Fuß vor den anderen setzte, achtsam, um im Notfall schnell zur Seite springen zu können, wenn Katerchen zum Sprung ansetzte und sich auf mich stürzte. Vielleicht sah er mich jetzt als seinen Feind, weil ich alle exponierten Lagen sperrte? Irgendwann stand ich vor ihm – Aug in Aug. Ich flüstere: „Hallo, Herzilein!“ Ohne zu blinzeln blickte er mich an. Ich kam näher, neigte meinen Kopf, immer noch flüsternd: „Gaaaanz ruhig! Alles ist gut!“ Ich wechselte mit der Tonlage wieder in einen höheren Singsang. Das beherrschte ich immer noch aus dem Effeff. Und was machte Herzilein? Sanft kuschelte er seinen Kopf an meinen, rieb ihn lange und ausführlich daran. Irgendwann war dieser Moment beendet und Katerchen begann, sich ausführlich und völlig unbeteiligt zu putzen. Für ihn war alles klar. Für mich nicht. Ich ahnte, dass dieses Kopf-an-Kopf-reiben wieder irgendeine Bedeutung hatte. Bloß welche? Hatte ich damit jetzt irgendetwas unterschrieben, möglicherweise ein Katzen-Gesetz bestätigt und mich am Ende unterworfen? Fragen schwirrten wie die Fliegen um meinen Kopf. Am besten, ich sah gleich im Ratgeber nach. Zügig, fast rennend verließ ich den Garten. Und Herzilein? Er folgte mir auf dem Fuße auf direktem Weg in die Küche und blieb sprachlos maunzend und anklagend vor seinem Futterschälchen stehen. Da hatte wohl jemand Hunger, das verstand sogar ich. Den Ratgeber schon neben mir liegend, flüsterte ich ihm leise zu, bevor ich seinen Napf füllte: „Ich sag dir was, Herzilein: Über die Sache mit der Macht müssen wir uns noch dringend unterhalten! “ Laut schnurrend stimmte dieser zu und strich mir nachdrücklich um die Beine. Ich schnaufte tief und erleichtert auf und antwortete zufrieden: „Ich bin froh, dass wir drüber gesprochen haben, Herzilein! Katzensprache ist doch gar nicht so schwer!“

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