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15) Und bist du nicht willig...


Nun ist das Herzilein doch schon eine Weile bei uns zu Hause. Ich würde sagen, wir haben uns gut aneinander gewöhnt. Natürlich können immer noch ein paar Dinge optimiert werden – da bin ich ganz ehrlich. Ich zum Beispiel würde Herzilein gerne noch ein paar Kunststückchen auf Kommando beibringen. Doch ich fürchte, das sieht unser Kater völlig anders. Wenn ich Herzilein recht verstehe, hat er auch ein paar bestimmte Vorstellungen. Zur besseren Erklärung muss ich kurz ausholen: Inzwischen hat sich Herzilein daran gewöhnt, dass fast alle Familienmitglieder in bewundernde „Ah“s und „Oh“s sowie laute Entzückensrufe wie „Ach seht mal, wie süß!“ ausbrechen, sobald Katerchen nur auf der Bildfläche erscheint, sich bewegt oder irgendetwas tut. Und genau hier, an dieser Stelle, hakt der Kater ein. Denn wer aufgepasst hat, hat sicherlich bemerkt, dass ich von „fast“ allen Familienmitgliedern gesprochen habe. Das ist auch ok, denn irgendjemand muss auch die rosarote Katzenbrille abnehmen und die Welt sehen, wie sie ist. Dafür ist mein Mann zuständig! Natürlich liebt er unser Katerchen genauso, aber er braucht dafür nicht so viele freudige Ausrufe wie wir. Er bemerkt auch als erster, wenn Herzilein wieder zu viel in seinem Katzenklo umgegraben hat und die super-saugfähigen-Kügelchen des Katzenstreus überall verteilt liegen. Oder wenn Katerchen beim Fressi großzügig über den Rand seiner Schale geschlabbert hat. Das findet mein Mann nicht süß. Auch die Pfotenabdrücke auf dem Sofa oder dem Esstisch gefallen ihm nicht. Dies teilt er dem Herzilein auch unumwunden und unverzüglich mit. Und das Herzilein hört sich das entweder mit einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck und angelegten Öhrchen an, oder dreht sich um und geht weg oder putzt unbeteiligt seine Pfötchen. Aber irgendwann, als mein Mann nicht damit rechnete, setzte er zum Gegenschlag an, um auch ihm mehr Entzückungsrufe zu entlocken. Hier gab das Katerchen wirklich alles und wir anderen Familienmitglieder waren völlig abgemeldet. Das sah folgendermaßen aus: Es war abends. Die Kinder lagen im Bett und schliefen. Mein Mann und ich saßen im Wohnzimmer. Der Tiger kreiste um den Sessel, in dem mein Mann immer abends sitzt und sprang auf seinen Schoß, obwohl dieser gerade den Laptop auf den Knien balancierte. Herzilein schnurrte laut, drehte sich ein paar Mal im Kreis und ließ sich dann nieder. Hilflos hob mein Mann die Arme. Er konnte jetzt nicht mehr weiterarbeiten, musste dafür den Kater streicheln. Das gefiel dem Vierbeiner, was er lauthals hören ließ. Mitten in der Nacht ging es weiter. Plötzlich, ohne Vorwarnung, suchte Herzilein die Nähe meines Mannes. Aufdringlich schob er seinen Körper erst an dessen Rücken, kletterte dann umständlich über meinen Mann, um sich dann direkt vor ihm niederzulassen. Fröhlich schnaubte er ihm ins Gesicht. Gab ihm sogar ein zartes Küsschen auf die Backe. Als sich mein Mann unwillig umdrehte, folgte er ihm. Gleiches Ritual. Ich beobachtete das Schauspiel und versuchte, Herzilein zu mir zu locken, jedoch ohne Erfolg. Das Katerchen tat, als wäre ich nicht da. Mit einem beherzten Griff packte ich ihn und hob ihn zu mir ans Fußende. Doch dies war keine akzeptable Alternative für den Vierbeiner. Schnell kletterte er wieder rüber zu meinem Mann, um ihm seine Liebesbeweise zukommen zu lassen. Vielleicht hätte er eine andere Uhrzeit wählen sollen, aber Begeisterung sah anders aus. Unwirsch drehte sich mein Mann wieder weg. Herzilein ließ sich nicht entmutigen. Er enterte das Nachtkästchen, schickte die darauf liegenden Dinge aus Versehen mit dem Pfötchen über den Orcus und kümmerte sich um das Gesicht meines Mannes aus dieser neuen Warte. Für Herzilein jedoch völlig unverständlich blieben die freudigen Liebesbekundungen meines Mannes aus. Da griff Herzilein zu radikalen Mitteln: Er bewegte sich wieder auf dessen Bettseite und legte sich komplett auf dessen Brust, um im nächsten Moment laut zu schnurren. Ich gluckste laut raus. So etwas hatte ich wirklich noch nicht gesehen. Mein Mann auch nicht. Er lachte leise auf, streichelte den Tiger und seufzte auf: „Du gibst auch nicht auf, oder?“ Herzilein drehte die Öhrchen und schnurrte laut weiter. Tja, so viel dazu. Ich denke, Herzilein hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Familienmitglieder so weit zu bringen, dass sie, sobald sie ihn sehen, in Entzückensrufe ausbrechen. Denn wie sonst will man erklären, dass Herzilein dieses Ritual nun fast jede Nacht wiederholt? Andererseits wette ich, dass mein Mann sich aufgrund dieser Kater-Aktionen "Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt" schon gebauchpinselt fühlt, denn sonst könnte er doch auch einfach unsere Schlafzimmertür schließen und das Problem wäre gelöst. Bisher kam er nicht auf den Gedanken… Und ich werde es ihm sicherlich auch nicht verraten!

©Helen Herrmannsdörfer


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