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14) Der Katzentisch

Autorenbild: kunterbuntessofakunterbuntessofa

Irgendwie muss diese Information bis zum Katerchen durchgedrungen sein. Ganz sicher muss ihm jemand etwas gesteckt haben. Anders kann ich es mir auch nicht erklären. Denn er nutzt ihn! Jeden Tag! Immer zur richtigen Zeit! Um was es geht? Na, um den Katzentisch, ist doch klar! Kennt ihr den Begriff noch? Dieser stammt aus dem 17. Jahrhundert. Ursprünglich war damit der Boden gemeint, von dem die Katzen fraßen. Mit der Zeit entstand daraus jedoch ein kleiner Tisch mit extra kurzen Beinchen. Dieser stand nicht bei der normalen Tischgesellschaft, sondern eher abseits und war dem Personal vorbehalten. Heutzutage bezeichnet der Katzentisch einen Tisch, an dem die Kinder selbstständig essen und die Eltern am normalen Esstisch nicht stören. Dies nur vorab als kleine Info, damit ihr die folgende Geschichte besser verstehen könnt:

Wie so oft stand ich in der Küche und kochte das Mittagessen. Geschäftig lief ich auf und ab, das Radio lief, die Dunstabzugshaube brummte - der Kater auch. Er kuschelte dabei mit meinen Beinen, schnurrte laut und versuchte lautstark zum Ausdruck zu bringen, dass er auch wichtige Bedürfnisse hätte: Fressen! Natürlich! Der arme Kerl hatte seiner Meinung nach noch nicht einen Bissen bekommen. Zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. Ich tätschelte ihn gutmütig, sprach mit ihm. Intensiver Blickkontakt bahnte sich an. Dazu von ihm ein erbärmliches, lautloses, aber gut vom Mäulchen abzulesendes „Miau“, das herzerweichender nicht sein könnte. Ich knickte fast ein. „Nein!“, ermahnte ich mich und den Stubentiger, „erst muss das Essen hier fertig werden.“ Verständnisloser Blick seitens des Katers. Ich blieb jedoch standhaft. Schließlich standen die Kinder gleich hungrig vor der Tür. Und wenn Teenies hungrig sind, dann verstehen sie keinen Spaß. Nicht das klitzekleinste bisschen. Das habe ich inzwischen gelernt. In diesem Fall musste ich also klare Grenzen ziehen. Kein Problem für den Kater. Er verstärkte sein Programm. Liebesbedürftig und absolut ausgehungert schmiss er sich an meine Beine. Beim Hin- und Herlaufen stolperte ich, knallte fast gegen den Küchenschrank. „Nein, Herzilein! Jetzt noch nicht! Du musst dich kurz gedulden, ja? Kurz, mein Süßer! Ganz kurz!“ Wieder verständnisloser Blick. Ich ließ mich auf die Knie vor ihm nieder, streichelte ihn, schaute ihm in die Augen und artikulierte überdeutlich: „Ku-urz! Gaaanz ku-urz! Gleich! Gleich gibt’s Fressi! Ok?“ Doch Herzilein zeigte leider nicht die gewünschte Reaktion. Statt mir weiterhin freundlich um die Beine zu streichen, legte er nun die Ohren an. Oh, oh! Ein missgestimmter Kater! Aber er schien mich verstanden zu haben. Glaubte ich zumindest! Ich kochte weiter! Sicherheitshalber warf ich ihm immer wieder einen Blick zu. Nicht, dass Herzilein vor Hunger auf dumme Gedanken kam. Ich wechselte in eine höhere Tonart. (Ihr wisst schon, mein Tonfall für Psychopathen…) „Gleich gibt’s feines Fressi: Dauert gar nicht mehr lange!“ Ich warf ihm einen beruhigenden Blick zu und lächelte. So soll man das doch machen. Deeskalieren! Ok, alles köchelte friedlich vor sich hin. Ich war noch im Zeitplan. 5 Minuten, dann fielen die gefräßigen Teenies wie die Löwen hier ein. Halt! Den Tisch musste ich noch decken. Schnell faltete ich die Servietten, richtete das Besteck an, stellte die Gläser und die Wasserkaraffe bereit, fertig! Sah doch wirklich ansprechend aus! Mir ist schöne Esskultur ganz wichtig. Ich eilte in die Küche zurück. „Hey! Hier ist keine Selbstbedienung!“ Ich konnte es nicht fassen. Seelenruhig saß das Herzilein inzwischen oben auf der Anrichte, stierte begehrlich in den Topf, um im nächsten Moment völlig unbeeindruckt und gelassen sein Vorderpfötchen zu putzen. Scheinbar desinteressiert beäugte er nebenbei das Geblubber. „Runter mit dir!“ Um die Dringlichkeit zu unterstreichen, packte ich den hungrigen Kater, der mir dabei wieder einen herzerweichenden Blick zuwarf und ein lautloses „Miau!“ entgegnete. Als ich ihn am Boden absetzte, schmiss er sich wieder an mein Bein. So ein armes Tier. „Gla-eich! Gla-eich gibt`s Fressi! Nur noch einen kurzen Moment, ja?!“ Beleidigt und mit hoch erhobenem Schwanz zog er von dannen. Da hörte ich die Stimmen der Kinder vor dem gekippten Fenster! Oh, oh! Jetzt war ich doch nicht ganz fertig. Es klingelte. Auch hier nutzte ich den Psychopathen-Trick und eilte mit einem strahlenden Lächeln und hoher, einschmeichelnder Stimme an die Tür: „Da seid ihr ja schon!“ Statt einer Begrüßung knallte mir sofort die Frage an den Kopf: „Was gibt es zu essen? Ich habe einen Bärenhunger!“ Schuldbewusst eilte ich sofort an den Ort des Geschehens zurück. Dann die Frage der Fragen: „Wo ist denn das Herzilein?“ Klar, der musste natürlich ausführlich begrüßt und „bekuschelt“ werden. Manchmal wäre ich auch gerne unser Vierbeiner. Ich sah mich um. Kein Herzilein weit und breit. Während mein Blick suchend durch das Wohnzimmer mit unserer Essecke streifte, scannten meine Augen zwei weiße Öhrchen. Spitz ragten sie über der Tischkante hervor. Na klar, er hatte wieder eingeparkt. Am Katzentisch – wie er denkt. Denn unsere beiden Kinder sitzen dort immer – an der Kinderseite. Mein Mann und ich sitzen ihnen gegenüber – auf der Erwachsenen-Seite. Herzilein hat das wohl einfach missverstanden, aber egal, wie oft ich es ihm schon erklärte, es interessierte ihn bisher nicht. Täglich findet er sich zum Mittagessen auf der wunderbaren Super-sitz-gemütlich-Bank ein, auf der immer die Kinder sitzen. Und weil er eben von Anfang an wusste, dass am Katzentisch alle Kinder sitzen, hat er eins und eins zusammengezählt, sich selbst betrachtet und tadaaa, da sitzt er nun. Tag für Tag! Grundsätzlich parkt Herzilein auch immer zwischen den Kindern ein, den Blick begehrlich auf den Tisch gerichtet. Geduldig und beharrlich wartet er darauf, dass irgendwann auch sein Schälchen dort steht. Doch das könnte dauern… Katzentisch hin oder her!

(©Helen Herrmannsdörfer)

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