Was soll ich sagen? Herzilein fühlt sich bei uns wohl. Er frisst, spielt, kuschelt und schläft. Alles funktioniert gut, der Alltag läuft. Es gibt jedoch eine Sache, die sich immer deutlicher abzeichnet und die nicht ganz in unsere liebgewonnenen Angewohnheiten passt: Herzileins Rhythmus. Schon klar, Katzen sind nachtaktiv. Aber Herzilein ist auch tagaktiv, das ist nicht von der Hand zu weisen. Vormittags, wenn wir alle in der Schule und Arbeit sind, schläft er brav. Richtig so, denn dann kann er uns gar nicht erst vermissen. Wenn ich nach Hause komme, ist Herzilein sofort wach und natürlich kurz vorm Verhungern. Anschließend spielt er gerne eine Runde. Dafür braucht er nur seine Kugel, die er über alles liebt. Und einen Spielpartner. Der ist gaaaanz wichtig. Sollte nämlich das heiß geliebte Spielzeug, für ihn unerreichbar, irgendwo drunter gerollt sein, ist der Spielpartner dafür zuständig, es rauszuholen. Natürlich hilft Herzilein mit seinem Pfötchen fleißig mit. Dies ist dann der Zeitpunkt, an dem ich auch gerne einmal Hilfe ablehne. Leider ist Herzilein auf diesem Ohr taub. Wenn ich mich also endlich getraut habe, unter das Sofa in die hinterste Ecke oder unter der Kellertreppe hinter den letzten Karton zu fassen, in ständiger Erwartung, dass mir gleich ein kleines schwarzes Tier mit acht Beinen über den Handrücken läuft, dann bricht mir schon der kleine Angstschweiß aus. Da hilft es auch nichts, dass sich Herzilein begeistert an mein Gesicht drückt oder nach meinen Haaren angelt. In diesem Moment wünsche ich mir einfach Ruhe, um mich entsprechend konzentrieren zu können, nicht völlig panisch durchzudrehen, sollte sich meine alptraumhafte Vorstellung bewahrheiten. Ja, ja, ich weiß, Spinnen sind harmlos, aber wo steht geschrieben, dass es nicht dieses Mal anders sein könnte? Ausnahmen bestätigen die Regel. Das ist allgemein bewiesen. Denken wir nur mal an Spiderman. Der hat sich sein Leben bestimmt auch nicht so vorgestellt und mit dieser Entwicklung sicherlich nicht gerechnet. Außerdem sind die Zeitungen voll mit Meldungen von seltenen Tieren, die urplötzlich und völlig unerwartet an nie dagewesenen Orten auftauchen. Also, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, das ist doch nur mehr als verständlich! Tja, und wenn ich dann endlich todesmutig das Lieblingsspielzeug von Herzilein wiederbeschafft habe, sieht er der Kugel, die ich unter einem begeisterten Aufschrei euphorisch - in Erwartung eines sich begeistert darauf stürzenden Katers – vor ihm rollen lasse, gelangweilt hinterher. Und – legt sich einfach auf den Boden. Macht die Augen zu und … schläft. Frechheit! Er honoriert die Beschaffung seiner Kugel null. Null Komma null null. Ich finde das echt frech. Außerdem hätte ich mir ein lustiges Spiel, bei dem das Katerchen fröhlich hin- und her flitzt oder sogar selbst kugelt, mehr als verdient. Meistens wende ich mich dann wieder irgendwelchen todlangweiligen Haushaltsangelegenheiten zu. Und bin frustriert. Ich hätte so gerne noch mit Herzilein gespielt. Da kommt mir folgender Spruch des Philosophen Michel de Montaigne in den Sinn: „Wenn ich mit meiner Katze spiele, bin ich mir nie ganz sicher, ob nicht ich ihr Zeitvertreib bin!“ Mich beschleicht immer mehr der Verdacht, dass dies tatsächlich der Fall sein könnte. Dazu fällt mir beispielsweise auch noch folgende Szene ein: Herzilein liebt es uns zu wecken. Normalerweise schlafen wir zu seiner Lieblings-Aufstehzeit noch tief und fest. Um sich bemerkbar zu machen, kommt er gerne zu uns ins Bett und bietet uns dort sein Repertoire. Am Wochenende jedoch, wenn wir endlich ausschlafen können, muss sich das Katerchen deutlich mehr anstrengen. Kein Problem, denn dann springt er gerne auf unsere Kommoden. Zunächst auf die kleinere. Hier habe ich verschiedene Döschen, Schächtelchen und weiteren Kleinkram stehen. Was Frau eben so braucht. Herzilein quetscht sich zu den Utensilien und schiebt diese mit dem Pfötchen begeistert hin und her. Immer näher rutschen sie an den drohenden Abgrund. Dann – mit einem beherzten Schlag der Tatze und seinem erstauntem Blick garniert – fallen diese der Reihe nach in die Tiefe. Natürlich nicht, ohne Geräusche zu verursachen. Ausgebreitet liegt dann der Inhalt auf dem Boden. Wenn diese Arbeit vollbracht ist und wir immer noch nicht reagieren, geht es eine Stufe höher zur nächsten Kommode. Hier habe ich ganz viele Bilder in Bilderrahmen sorgsam aufgestellt. Herzilein sucht sich auch hier seine Lücke oder schafft sie sich eben im Notfall selbst, das stellt für ihn kein Problem dar. Sollte zufällig ein Bild umfallen, kümmert es ihn wenig, es nimmt ebenfalls den Weg allen Irdischens und landet auf dem Schlafzimmerboden. So schnell können wir gar nicht schauen, springt Katerchen wieder runter, nach dem Motto: „Ich war`s nicht!“ Kurz darauf entert er das Nachtkästchen meines Mannes. Dort liegen diverse Dinge wie die Armbanduhr, Sportuhr, das Handy, der Wecker. Natürlich werden auch diese Dinge fein säuberlich langsam mit dem Pfötchen immer näher an den Abgrund herangeschoben, während er meinen Mann hypnotisiert (denn das Herunterfallenlassen von Dingen beherrscht Herzilein aus dem effeff), bis auch diese Teile dort zu liegen kommen. Es scheppert immer so laut, dass mein Mann aus dem Schlaf hochschreckt und den Kater, der sich inzwischen genüsslich das Pfötchen schleckt, mit grummelnden Worten bedenkt, aufsteht und ihn füttert. Kurz darauf rollt sich Katerchen zusammen, fällt in einen scheinbar komatösen Schlaf und erweckt den Eindruck, dass wir ihn ganz schön gestresst haben und er dringender Ruhe bedarf. Mein Mann hingegen ist nun wach und möchte den Tag beginnen – gemeinsam mit seiner Familie. Doch das bemerkt Herzilein schon gar nicht mehr. Spiel, Satz und Sieg, würde ich sagen und zwar auf ganzer Linie. Wenn ich dann später alles wieder aufräumen muss, was Herzilein so großzügig in der Früh über den Orkus wandern ließ, dann keimt in mir der Verdacht auf, dass wir tatsächlich eher sein Zeitvertreib sein könnten. Daran müssen wir dringend arbeiten, Herzilein!
kunterbuntessofa
🤣❤️